Gedichtauswahl

mehr im Lyrikband „Komm mal mit“

 

Erinnerungen an zu Haus

Von Balken zerfurcht
Stämmig die Häuser
geduckt am Boden
 
  Krallenfüße
Hier fliegt nur der Wind
Grenzenlos süchtig
Dem Himmel entgegen
 
  Drachenflügel
Zäh klebt die Erde
An allem Leben
Lähmt jeden Gedanken
 
  Schweißtränen
Doch gelb flutet Wärme
Im Atem des Sommers
Still fließende Felder
 
  Seelenfrieden

 

Es war die Nachtigall

In der Wärme Deines Körpers
Möcht' ich mich strecken
Ohne gleich wieder von bösen Träumen
Geweckt zu werden
Meine steifen Hände
Möchte ich öffnen
Zum Streicheln der Luft
Ohne gleich wieder die Fäuste
Ballen zu müssen
Wiege mich in die Ewigkeit
Und singe mir den Schlaf leise
Ins Ohr
Der Flaum auf Deiner Haut
Streichelt mir
Waschbärenträume ins Herz
Spinne Dich ein in mein Netz
Aus Liebe und Geborgenheit
Seine Fäden halten uns sicher
Beim Tanz auf dem Seil
Schicke die Nachtigall die Lerche
Zu fressen
Damit kein Morgenlärm
Unsere kleine Unendlichkeit störe
Lass uns dann zu unseren Polen fliegen
Um die reifen Beeren zu pflücken
Bevor es Herbst wird

 

Heimat-Los

Eine Wand
Angelehnt an eine andere
Rechte Winkel
Formen die Luft
Glaskasten
Der Atem schneidet
So aufrecht wie die Tapete
Stehe ich nicht
Dies Zimmer hat Wurzeln
Unverrückbar und senkrecht
Schmiegt es sich in den Boden
In seiner Erde zu Hause
Braucht es mich nicht
Ich streichle es täglich
Mit meinen Gewohnheiten
Flehe heimlich um Nähe
Und heize dann doch wieder
Mit Gas

 

Herbst

Grauer Atem
Schwer auf den Bronchien
Die Luft schmeckt wieder
Nach Einsamkeit
Strahlendes Weiß
Diskret auf dem Rückzug
Unter dem dunklen Staub
Der fast fertigen Zeit
Schattenspiele
In müden Gedanken
Die Bilder des Sommers
Gehen zur Neige
Gelassenes Warten
Auf hellere Tage
Im Kreislauf der Farben
Gibt's keine Eile

 

Frühling

In der warmen Mittagssonne
Schwindet langsam
Der glasig verkrustete Schnee
Als zarte Spitzendecke
Filigran gezackt
Nimmt er leise Abschied
Die Wiesen lecken
Noch wintermüde und grau
Bereits gierig sein Nass
Nie Stillstand
Stets Kreislauf
Mein Augenblick ist
Nur Ausschnitt des Ganzen

 

Wut

Wenn diese Wut nicht wäre
Könnte ich die Stille genießen
In einen Apfel beißen
eine leise Melodie mitsummen
Wenn diese Wut nicht wäre
Würde ich Bäume pflanzen
Gedichte schreiben
Und mein Feld bestellen
Wenn diese Wut nicht wäre
Schlüge mein Herz einen heiteren Takt
Und meine Gedanken wären bei Dir
Doch die Scham drängt mit Zorn
In mein Gewissen
Und lässt meine Hände das Gewehr laden
Wenn Deine Liebe nicht wäre
Würde ich vielleicht schießen